Lindner wird zum Kickers-Schreck
Simon Lindner ist am Samstag erneut zum Kickers- Schreck geworden. Beim 3:2-Überraschungssieg seines FSV 08 Bissingen gegen den Oberliga-Titelfavoriten aus Stuttgart-Degerloch erzielte der Flügelspieler alle drei Toren der Bruchwald-Elf und schoss den ersten Saisonsieg fast im Alleingang heraus. Bereits am 27. April 2016 hatte Lindner den Ex-Bundesligisten an gleicher Stätte geärgert: Im WFV-Pokal-Halbfinale traf er mit einer Bogenlampe von der Mittellinie zum entscheidenden Bissinger 2:1 in der Verlängerung und besiegelte so das Aus des damaligen Drittligisten von der Waldau.
Nun erlebten die Blauen und ihre gut 700 mitgereisten Fans in der Liga erneut ihr blaues Wunder. „Zu Hause scheinen mir die Kickers irgendwie zu liegen“, sagte Lindner. Der Matchwinner hob, bei aller Freude über seinen großen Auftritt, aber das Kollektiv hervor: „Die gesamte Mannschaft hat es mit einer starken Leistung herausgerissen – und bei zwei Toren musste ich den Ball ja auch nur noch einschieben.“
Kickers fehlt Durchschlagskraft
Der Tabellendritte der Vorsaison zeigte sich vor den 1325 Zuschauern klar verbessert gegenüber den bisherigen vier Pflichtspiel-Auftritten. Das 08-Team kämpfte und rackerte, attackierte früh und ließ den spielstarken Gegner kaum zur Entfaltung kommen. Dies hatte freilich auch mit Alfonso Garcias Taktik zu tun. Wie Bundestrainer Joachim Löw beim deutschen WM-Titelgewinn 2014 in Brasilien bot der Bissinger Coach mit Duc Thanh Ngo, Tim Reich, Anil Sarak und Daniel Schmelzle vier gelernte Innenverteidiger in der Vierer-Abwehrkette auf. Die Kickers hatten zwar mehr vom Spiel, doch im Angriff waren sie nicht durchschlagskräftig genug. Der verletzte Neuzugang Cristian Gilés fehlte im Sturmzentrum als Unruheherd, ebenso Torjäger Mijo Tunjic, der bis zur 62. Minute auf der Bank schmorte.
In der Nachspielzeit der ersten Hälfte gingen die Nullachter mit ihrem dritten Torschuss in Führung: Nach einem Ballverlust der Gäste in der Vorwärtsbewegung ging es ganz schnell: Riccardo Gorgoglione nutzte auf dem rechten Flügel seinen Freiraum, eilte auf und davon und bediente in der Mitte den mitgelaufenen Lindner mit einem Querpass – und der flinke Flügelflitzer drückte die Kugel zum 1:0 ins Netz.
Mit seinen Saisontoren drei und vier zog der 24-Jährige dem Team vom Fernsehturm nach der Pause vollends den Zahn. Erst jagte er den Ball ansatzlos aus 18 Metern unter die Latte und überraschte dabei Kickers-Keeper Tobias Trautner, der die Arme nicht mehr rechtzeitig hochbekam (68.). Dann nutzte Lindner ein geniales Zuspiel von Yannick Toth in die Gasse, trickste Trautner aus und schob die Kugel zum 3:0 ins leere Tor (71.). Da die Joker von Gästetrainer Ramon Gehrmann stachen, mussten die Bissinger trotz des komfortablen Vorsprungs in der Schlussphase noch um den Sieg bangen. Die eingewechselten Tunjic, Michael Klauß und Markus Obernosterer machten kräftig Rabatz vor dem 08-Gehäuse – und die Partie wieder spannend: Tunjic und Obernosterer köpften jeweils eine Flanke von Klauß zum 1:3 und 2:3 ein (78./85.). „Da merkt man halt, dass die Kickers eine breite Bank haben und noch viel Qualität einwechseln können“, sagte Lindner, der zu diesem Zeitpunkt bereits, wie auch die Gelb-Rot-gefährdeten Marius Kunde und Alexander Götz, ausgewechselt war und vom Spielfeldrand mitzitterte.
Bissinger Bollwerk hält
Das Bollwerk der Bruchwald-Elf wackelte, hielt aber dem Ansturm der Blauen stand. Mit viel Kampfgeist rettete das Garcia-Ensemble den Prestigeerfolg über die Zeit. „Wir alle hatten heute richtig Bock, zu gewinnen. Nach dem verpatzten Saisonstart war es an der Zeit, dass wir mal einen großen Gegner schlagen“, sagte Bissingens Torhüter Dominik Ferdek und blickte bereits auf das Gastspiel am nächsten Samstag beim Aufsteiger Sportfreunde Dorfmerkingen: „Wenn wir dort nicht nachlegen, war heute hier alles umsonst.“
Vielleicht trug neben dem renommierten Widersacher auch die Kulisse dazu bei, dass die Nullachter über sich hinauswuchsen. „Schon beim Warmmachen waren gefühlt 1000 Leute im Stadion. Das kennen wir so nicht. Manche Kickers-Fans waren sogar schon da, als wir Spieler uns zum Treffpunkt versammelt haben“, sagte Lindner und äußerte den Wunsch, dass der FSV 08 künftig nicht nur zu Fußball-Festtagen zur Galaform aufläuft: „Ich hoffe nicht, dass wir wieder in alte Muster verfallen und gegen vermeintlich schwächere Gegner einen runtergurken.“
Quelle: Bietigheimer Zeitung