Vom Bruchwald zu den Schönen und Reichen
Bissinger 08-Oberliga-Fußballer Yannick Toth studiert und kickt mit Freuden in Palm Beach/Florida
Atlantischen Ozean. Traumhafte Strände, Villen und Landsitze, elegante Geschäfte, exquisite Restaurants, jährlich rund 800 kulturelle Veranstaltungen und jede Menge Palmen und Promis: In der 100 000-Einwohner-Stadt West Palm Beach, die durch eine Brücke mit der Insel Palm Beach verbunden ist, können einem durchaus mal Mike Tyson, Serena Williams, Sylvester Stallone oder Donald Trump begegnen – oder eben auch Yannick Toth vom FSV 08 Bietigheim-Bissingen.
Seit August 2022 und noch bis Mai 2024 macht der 25-jährige begnadete Mittelfeld-Stratege seinen Master of Science in Leadership an der Palm Beach Atlantic University (PBA) in West Palm Beach, Florida. Und im 10 000 Kilometer entfernten St. Tropez Amerikas, im „Florida der Schönen und Reichen“ fühlt sich der aus Weil im Schönbuch kommende, eher zurückhaltende junge Mann offensichtlich pudelwohl.
Fußball im Uni-Soccer-Team
105 Kilometer nördlich von Miami und keine zehn Minuten von Donald Trumps Mar-a-Lago entfernt strebt der gebürtige Filderstädter aber nicht nur seinen Master in Richtung Business an, sondern spielt auch Fußball für das Uni-Team PBA, was ohne das Sportstipendium alles nicht möglich wäre.
„Letzte Saison hatten wir 15 verschiedene Nationen im Team, sodass es die Aufgabe der Coaches ist, die unterschiedlichen Spielphilosophien auf einen Nenner zu bringen. Wir hatten beispielsweise Spieler aus Brasilien, Neuseeland, Ghana, Serbien, Norwegen und Wales. Das ist super spannend, so viele Kulturen kennenzulernen und Freunde fürs Leben zu finden“, berichtet Yannick im digitalen Interview mit der BZ über die sehr kleine private Universität Palm Beach Atlantic University mit knapp 4000 Studenten.
Sein Team und er haben hier jeden Tag mindestens einmal Training. Das Niveau in der Liga sei vergleichbar mit der Oberliga Baden-Württemberg, meint er.
Es gehe ihm wirklich super. Er habe bereits unglaublich viele Erfahrungen sammeln können und würde den ganzen Schritt sofort wieder machen. Seine Situation sei auch besonders einfach, da er mit seiner Freundin Eva zusammen lebe.
Sie ist auch mit einem Sportstipendium im Volleyball ausgestattet und hat erst an der Keiser University in der gleichen Stadt ein Semester studiert und jetzt im Winter zum Beach-Volleyball-Team von PBA gewechselt. Yannick Toth: „Wir haben hier das erste Jahr mit zwei weiteren Deutschen, einem Österreicher und einem Amerikaner off-campus eine WG. Dadurch war ,Heimweh‘ nicht wirklich ein großes Thema für mich.“
Heimweh kein Thema
Was ist anders als bei uns? Der Bissinger Nullachter: „Das Trainingsgelände ist deutlich professioneller. Wir haben rund um die Uhr Zugang zu den Plätzen, zu Fitnessstudio und Physios. Das größte Plus für mich ist, dass ich nicht täglich über 50 Kilometer hin und zurück fahren muss wie von Weil im Schönbuch an den Bruchwald.“
Ein Unterschied ist demnach auch, dass die Saison auf der Halbinsel Florida nur von August bis im besten Fall Anfang Dezember geht. Im Frühling ist Off-Season, was mit einer langen Vorbereitung mit Testspielen und Turnieren vergleichbar ist.
In der Saison haben die Soccer bis auf einen Tag in der Woche Training – ein Tag muss laut Regeln frei sein – und dazu kommen noch zwei bis drei Meetings unter der Woche, was meistens Videoanalysen von ihnen nach dem Spiel und Analysen vom Gegner vor dem jeweiligen Spiel beinhaltet.
„Klima und Lebensstil sind deutlich anders. Ich kann mich hier im Sunshine State nicht daran erinnern, einen Pulli gebraucht zu haben, außer beim Einkaufen oder im Restaurant, weil die Klimaanlage immer viel zu kalt eingestellt ist.
Das Wetter“, so Toth weiter, „ist top. Im Sommer ist es fast schon zu warm und die Tropenstürme können schon mal das eine oder andere Training oder Spiel um Stunden verschieben, aber man gewöhnt sich dran.“
Ganz anders sei allerdings auch der Lebensstil. Alles sei teurer, vor allem Lebensmittel und Restaurants. Dafür habe man keine zehn Minuten von seinem Haus den Strand und Palm Beach. Er habe dort in der Nähe zum Beispiel Mike Tyson und Serena Williams getroffen.
„Auf der Insel kann man es sich als Normalsterblicher nicht leisten. Ich habe gerade recherchiert, wie viel die billigste Zwei-Zimmer-Wohnung monatlich zur Miete kosten würde und komme auf 5000 $, also etwas über 4500 Euro für eine 80- Quadratmeter-Wohnung. Und das ist die billigste auf dem Markt gerade“, berichtet der Fußballer ebenso.
Rückkehr zu Nullacht?
„Natürlich“, versicherte er, „habe ich jeden Samstag die Ergebnisse der Nullachter beziehungsweise die der ganzen Oberliga verfolgt. Und wenn die Rückrunde auch nicht die allerbeste war, kann man nach so einem Riesenumbruch wirklich stolz sein, auf einem guten 9. Platz zu landen.“
Die naheliegende Frage nach einer Rückkehr zu Nullacht beantwortet der gefragte Fußballer betont vorsichtig: „Nach der Rückkehr liegt meine erste Prio erstmals beim Jobeinstieg. Bisher weiß ich nicht, wo mich meine Karriere hin verschlägt. Ich weiß nur, dass ich nicht jeden Tag 100 Kilometer fahren will.
Daher“, sagt er weiter, „will ich hier keine falschen Versprechungen abgeben, sondern einfach ehrlich sein. Ich kann noch nicht mal zu 100 Prozent sagen, dass es Deutschland sein wird. Ich möchte daher einfach flexibel sein, aber natürlich weiterhin Fußball spielen und daran Spaß haben.“ (wch)
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Vom FC Bayern München eingeladen
Was viele nicht wissen: In Yannick Toths erstem Jahr beim FSV 08 hatte er direkt vor dem ersten Oberligaspiel 2016 eine Einladung vom FC Bayern München bekommen. „Ich hatte hier in der Vorbereitung offenbar einen sehr guten ersten Eindruck hinterlassen und wurde für drei Tage inklusive Testspiel eingeladen. Es war allerdings schon nach der Transferperiode, sodass ich im Winter hätte nochmal kommen sollen.
Ein paar Wochen später habe ich aber einen Meniskus mit weiteren Folgen gerissen, die Aufstiegsspiele in die Regionalliga verpasst, und, nachdem Trainer Vogel gefeuert wurde, nie wieder was vom FCB gehört.
Es wäre aber absolut Quatsch“, betont Yannick, „alles auf mein Knie zu schieben. Ohne die ganze Geschichte wäre ich bestimmt nicht hier, wo ich jetzt bin. Mein Motto lautet so, wie ich es auch jedem meiner Mitspieler vor jedem Spiel sage: „Enjoy“.